Interview mit Fred

 

Hey Fred! Du bist gerade zum ersten Mal zu Besuch in Deutschland, du lebst in Ghana. Möchtest du dich kurz vorstellen?

Okay, mein Name ist Fred und ich komme aus Ghana. Ich bin hier in Deutschland um meine Freunde zu besuchen – die hab ich bei deren Auslandsaufenthalt kennengelernt, als ich für die Kirche arbeitete.

 

Kannst du schon etwas zu deinem ersten Eindruck sagen, wie sich das Leben der Menschen hier von dem in deiner Heimat unterscheidet?

 

Das Leben hier ist sehr verschieden zum Leben in Ghana. Es ist schön in Deutschland. Die Dörfer, die ich hier gesehen habe, sind für mich irgendwie keine Dörfer. Zum Beispiel gibt es bei uns in vielen dörflichen Regionen keinen Strom.
Aber die Atmosphäre ist schon sehr anders. In Ghana grüßen sich alle Menschen auf der Straße, sind freundlich. Das Leben findet viel mehr auf der Straße statt. Wir sind eng mit den Menschen um uns herum verbunden, essen zusammen, kümmern uns umeinander, besuchen einander ohne Einladung. In Deutschland grüßt man eher nicht, schaut weniger rechts und links und geht seinen Weg. Hier hab ich das Gefühl, es dreht sich mehr um die Individualität, mehr um sich selbst und das eigene Leben.

 

Spannend, dieser Blick von außen. Wir haben uns auf einer Hochzeit kennengelernt. Für die meisten Menschen soll es der schönste Tag und das größte Fest im Leben sein. Ist das in Ghana auch so?

 

Hochzeiten sind auch bei uns ein großes Fest, an dem Familie und Freunde zusammenkommen.
Aber das größte und wichtigste Fest im Leben ist eher das an seinem Ende. Dafür wird weit mehr Geld aufgebracht als für Hochzeiten.

 

Mich interessiert sehr, wie in deiner Heimat Abschiede begangen werden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich sehr unterscheidet von dem, was wir hier in Deutschland kennen. Was passiert, wenn jemand stirbt?

 

Also. Das hängt total vom Alter der Person ab und davon, wie jemand stirbt.
Stirbt ein Mensch natürlicherweise in hohem Alter und die Person ist über 70 – dann sagen wir, die Person hat sehr gut gelebt. Und sie starb zur richtigen Zeit. Dann haben wir eine große Abschiedszeremonie.
Aber – Schritt für Schritt. Wenn jemand stirbt, wird der Körper in ein nahegelegenes Krankenhaus zur Kühlung gebracht. Dann trifft sich die große Familienrunde für eine Woche im Haus des Oberhaupts der Familie. Es wird besprochen, wie die Zeremonie begangen wird und alles geplant.
Der Bürgermeister kommt oft auch und bestimmt mit, wie die Trauerfeier ablaufen und wieviel Geld ausgegeben werden soll. Je nachdem, welche Position der Mensch hatte oder was er geleistet hat, wird auch die Feier größer oder kleiner ausfallen.

Erzähl doch mal von dieser Woche zuhause.

 

Eine Woche wird die Feier geplant, das Datum festgelegt – manchmal finden die Bestattungen erst zwei Monate später statt. Die Trauerfeier muss immer an dem Ort stattfinden, wo der Verstorbene geboren wurde. Das kann schwierig sein – gerade was die Transportmöglichkeiten angeht. Wir verbrennen den Körper grundsätzlich nicht. Das muss alles organisiert werden. Der Sarg wird ausgesucht. Es wird entschieden, wie viele Menschen zur Feier eingeladen werden.

Außerdem kommen Leute ins Haus, um Hände zu schütteln. Dafür sind Stühle gerichtet – die Familie sitzt vorne. Alles ist in rot und schwarz gehalten. Auch die Kleidung. 

Je mehr rot man trägt, desto näher stand man der Person. Wenn die Menschen in ihrer Alltagskleidung erscheinen, kriegen sie ein rotes Band an den Arm. Dann dürfen sie von links nach rechts herumgehen und ihr Mitgefühl ausdrücken. Wenn die Person alt stirbt, darf die Familie weiß tragen – alle den gleichen Stoff. Die weiße Farbe zeigt den Sieg des Lebens über den Tod. Sie zeigt, dass es Zeit ist für den Menschen, nach Hause zu gehen – friedlich – da seine Aufgabe auf der Erde erfüllt ist. 

Es gibt eine Menge Regeln, wie du siehst. Aber auch Getränke und etwas zu essen. 

Achso, wenn du im Alltag schwarz oder rot trägst, wirst du öfter mal angesprochen, ob du jemanden verloren hast. Also greif lieber zu anderen Farben. 

 

Kommen wir zum konkreten Ablauf der Feier.

Unsere Feier geht über ein ganzes Wochenende.

Der Körper des Verstorbenen wird freitags etwa gegen 17 Uhr aus dem Krankenhaus geholt. Er wird immer in das Haus des Vaters gebracht. Der Verstorbene wird gekleidet und in den mit Eis gekühlten Sarg gebettet. Es wird viel gesungen, auch geweint. Die ganze Nacht. Um 4 Uhr morgens wird der Sarg geöffnet, der Verstorbene kann angeschaut werden.

Samstags um 8 Uhr morgens kommen die Menschen wieder zum Verstorbenen und halten Reden über das Leben und gemeinsame Erlebnisse. Die Menschen geben in eine Schüssel Geld für den Verstorbenen, denn wir glauben, dass du von diesem Leben in ein anderes Leben gehst.
Jeder kann zusehen, wenn der Sarg geschlossen wird. Dann geht’s auf 10 Uhr zur Kirche. Dort werden Hymnen gesungen, wir bewegen uns rhythmisch dazu. Der Ehepartner des Verstorbenen erzählt die Lebensgeschichte, auch der älteste Sohn sagt etwas. Ich konnte es damals bei meiner Mutter nicht, dann hat das meine Schwester gemacht. Auch der Pfarrer spricht, so etwas wie: „Leb ein gutes Leben, tu keinem weh. Da ist Leben nach dem Tod.“
Von der Kirche gehts zum Friedhof. Dann wird begraben.
Nachdem man auf dem Friedhof war, geht jeder mit nach Hause und wäscht zunächst die Hände – da steht eine große Schüssel zum Händewaschen – und dann gibts Essen. Anschließend gehen alle in den großen Park zu einem Zelt, wo die Menschen ihre Geschenke – vor allem Geld – bringen. Es läuft auch Musik. Das Ganze startet nachmittags und endet um 18 Uhr abends.

Sonntags geht es um 9 Uhr in die Kirche. Um 12 Uhr gibt es im Haus wieder gemeinsames Essen. Dann geht man zurück zum Park und die Leute bringen wieder Geld. Ab 17.30 Uhr ist der offizielle Teil vorbei. Dann wird getanzt und richtig gefeiert.
All die Jugendlichen und Kinder kommen und jeder tanzt und feiert das Leben. Bis etwa 22 Uhr abends.

Am Montag trifft die Familie sich um 10 Uhr wieder. Es wird besprochen, wieviel Geld ausgegeben und auch empfangen wurde. Familienmitglieder bekommen Geld zurück – je nachdem wie viel gegeben wurde. Danach ist es vorbei.

Bei uns bekommt es jeder mit, wenn eine Trauerfeier stattfindet. Egal wer stirbt, es trifft dich.
Öffentliche Verkehrsmittel sind oft total überfüllt, wenn eine Bestattung ansteht. Jeder nimmt sich frei und geht zur Feier. Auch über lange Strecken. Für Nichtchristen finden die Feiern dann auf öffentlichen Feierplätzen statt, zum Beispiel auf Schulhöfen.

 

Und was ist, wenn Menschen in jüngerem Alter sterben? Beispielsweise durch Unfälle oder Krankheiten?

Dann, so sagen wir, hat die Person ihr Leben nicht gelebt, nicht genug Leben gelebt. Es wird nicht viel organisiert, die Bestattung kann schon am nächsten Tag stattfinden. Es werden nur kleine Vorbereitungen getroffen.
Du kannst nicht ein Kind wie einen alten Menschen bestatten.
Bei einem Kind muss alles schnell gehen. Nur den Sarg und ein paar Drinks kaufen für die, die kommen. Für jüngere Verstorbene planen wir nicht viel. Es ist auch zu schmerzhaft. Manchmal wird auf der Feier aber ein kleines Theaterstück aufgeführt, darüber wie der verstorbene jüngere Mensch im Leben war. 

Versuche doch mal, in einem Satz zu sagen, welche Bedeutung eine Abschiedsfeier nach einem natürlichen Tod für Menschen in Ghana zukommt.

„It’s a celebration of life and we need time to celebrate it.“Es ist ein Fest des Lebens und wir brauchen Zeit, es zu feiern.

 

Das klingt so spannend und so anders. Danke, dass du mit mir darüber gesprochen hast und danke für deine Einladung nach Ghana!

Gern geschehen.